[Der_Mosch]

Ich hab das Verlangen, meine Einsichten von mir zu geben.

Mosch's Einsichten: Altersheim

Meine Urgrosmutter, eine verständlicherweise schon ältere Dame, wohnt in einer sogenannten "altengerechten Wohnung".Eine nette Umschreibung, doch es ist schon gefährlich, sich nur in die Nähe zu begeben. Letztens habe ich sie wieder besucht.
Der Mond hing blass hinter einer Mauer aus Wolken, als ob sich die Mühe gar nicht lohnen würde, und schickte sein fahles Licht, das mehr verstekcte als er erleuchtete. Die knorrigen, verdrehten Bäume am Wegesrand bewegten sich wie im Wind, obwohl die Luft vollkommen still war. Kein Laut war zu hören, die Strasse war unbefahren, die Lichter in den Häusern aus. Ich schritt über den Weg aus uraltem Kies, der bei jedem meiner Schritte knirschte wie brechende Knochen: knirsch, knirsch, knirsch, knirsch...
Der Weg wand sich an einem der Wohnblöcke vorbei; aus dem Fenster hörte ich das abendliche Fernsehprogramm, während ich mich einem kleinen Teich vor dem Fenster näherte. Auf der Bank sassen vier ältere Leute, drei Frauen und ein Mann, und starrten missmutig ins Wasser, als dachten sie daran, ihrem Leben in den zwanzig Zentimetern algenverkrustetem Brackwasser ein Ende zu setzen. Kaum erblickten sie mich, als eine frohe Regung sie durchzuckte. Stöcke, Gehilfen und Rollstühle kamen mit entschlossenem Blick auf mich zu, langsam, aber dennoch entschlossen. Gehetzt suchte ich nach einem Fluchtweg - doch nichts. Wenn ich meine Urgrossmutter besuchen wollte, musste ich an ihnen vorbei. Schon hatte mich die erste Oma erreicht. "NA, DU SÜSSER!" kreischte sie mit schriller Stimme und kniff mir in die Backe. Furchtdurchflutet schreckte ich zurück: Hatte sie mich durch die Berührung mit Alter angesteckt? Auch die drei anderen näherten sich mit Grunzlauten und ausgestreckten Händen, während die Backenkneiferin hysterisch lachte.
Ich hatte keine Wahl.
Ich nahm ein paar Schritte Anlauf und durchbrach die menschliche Barriere mit einem angetäuschten Body Check und rannte und rannte und rannte. Schon waren die ersten wieder auf den Beinen und begannen wieder, sich mir unerbittlich zu nähern.Längst schon hatte ich bei meiner Urgrossmutter geschellt, doch aufgrund ihres Alters ist sie ein wenig langsam. Sabbernd und gackernd kamen die Alten näher, ihre Hände zum kneifen ausgestreckt, ihre Lippen befeuchtet, um DInge wie "Süsser" oder "Burschi" hinauszuhusten. Wie besessen riss ich an der Tür um ihnen zu entkommen, als ich die Stimme meiner Urgrossmutter aus der Gegensprechanlage vernahm: "Ja?" - "Mach auf, ich bins!" rief ich voller Furcht. Die Vier kamen immer näher. Mein Gesicht war von Angst verzerrt - vielleicht würden sie mich wieder anfassen! Da, plötzlich hörte ich das geliebte Summen des Türöffners! Mit kräftigem Schwung riss ich die Tür auf, den Vier direkt ins Gesicht, schlug sie nieder und riss die Tür hinter mir wieder zu; die Gesichter voller Falten drängten sich gegen das Glas der Tür, sabberten, schienen miteinander zu verschmelzen, bis sie nur noch ein monströses Gesicht voller Falten und mit dem verzerrten Blick von 8 Augen gleichzeitig zu sein schienen. Angewidert wandte ich mich ab und stieg die Treppen im vollkommen dunklen Flur hoch. Jeder einzelne Fusstritt war wie eine Bleiplatte, die auf den Boden auftrifft.Auf ein mal wurde die Tür rechts neben mir aufgerissen; im Rahmen, erhellt vom Lampenschein, der blendend mein Auge traf, ein weiteres Höllengeschöpf. "Dieter?" gab es von sich, und ging einen Schritt auf mich zu. Ich wich zurück, als sich plötzlich die Tür hinter mir öffnete. "Horst? Bist du das?" Ich flüchtete die Stockwerke nach oben, während sich hinter mir die Türen wie Tore zur Hölle öffneten. Namen wurden mir entgegengerufen, eine ganze Kolonne dieser Geschöpfe folgte mir, Namen rufend, Hände ausgestreckt. Schon dachte ich mir, mein Vorsprung würde mir eine Pause erlauben, als der Fahrstuhl klingelnd neben mir stoppte und sich die Türen öffneten. "Günther?" "Johann?" "Brigitte?" "Markus?" Die Namen gingen ineinander über, als sich die Kreaturen aus dem Fahrstuhl drängten und mich umzingelten. Ihre Kittel schienen Fell zu sein, und die Fernbedienungen in ihren Händen Mistgabeln, die sie in Richtung meines Bauches stiessen. Erfüllt von Horror durchbrach ich den Kreis der Verdammnis und stürmte die Treppehoch, mehr alte Leute hinter mir, als es auf der Welt überhaupt geben kann.
DA!! Vor mir öffnete sich eine Tür!!!
Und ich sah meine Urgrossmutter mit ihrem milden Gesichtsausdruck, wie sie in der Tür steht und mich anlächelt. "Patrick!" ruft sie strahlend, und ich wünsche ihr einen Abend, während ich die Tür hinter mir schliesse. "Bist ja ein kräftiger Junge geworden!" sagte sie und kniff mir in die Wange.
Ich bin auf meiner Couch wieder aufgewacht. Meine Eltern erzählten mir, dass man ich in der Wohnung meiner Urgrossmutter ohnmächtig umgekippt wäre und immer wieder "ALTE LEUTE!! ALTE LEUTE!!!" gerufen hätte...

(Und jetzt bitte jemand posten, damit ich kein Doppelpost machen muss....)