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Alt 13-10-2003, 20:49
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Trail Of Tears
Die Vertreibung aus dem Südosten

Anfang des 19. Jahrhunderts stellten die großen indianischen Nationen des Südens - die Cherokee, Choctaw, Chickasaw und Creek - für die jungen Vereinigten Staaten keine militärische Bedrohung mehr da. Doch bei ihnen selbst tat sich eine tiefe Kluft auf zwischen jenen, die an ihrem traditionellen Leben festzuhalten versuchten, und der wachsenden Mehrheit derer, die die materielle Kultur der Weißen übernahmen.
1812 kam es bei den Creek über diese Frage zu einem blutigen Bürgerkrieg. Die Creek oder Muskogee hatten ihren englischen Namen von frühen Händlern erhalten, denen aufgefallen war, daß ihre Siedlungen gewöhnlich an Wasserstraßen im Landesinnern lagen. Sie bildeten eine weitverzweigte Konfördeartion aus Nachkommen der Coosa und vieler anderer Mississippi-Stämme, denen de Soto im 16. Jahrhundert in den Regionen der heutigen Staaten Georgia, South Carolina und Alabama begegnet war. aufgrund ihrer Größe und Stärke, aber auch wegen ihrer geographischen Lage inmitten der Gebiete, um die England, Frankreich und Spanien konkurrierten, hatten sie großen Einfluß gewonnen.
Den Höhepunkt ihrer Macht hatten die Creek vor dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg erreicht. Ihre riesige Konföderation, die vom Landhunger der Weißen noch relativ unberührt war, verfügte über sechstausend Krieger aus hundert Dörfern. Doch nach der Revolution der Amerikaner wandte sich das Blatt für die Indianer. Baumwollpflanzer, Spekulanten und arme weiße Siedler drangen in ihr Land ein, und die Geschichte anderer Grenzkonflikte wiederholte sich auch hier - die Creek spalteten sich in ein pro- und ein antiamerikanisches Lager.

Mit dem Ausbruch des Krieges von 1812 brachen die antiamerikanischen Upper Creek - wegen ihrer rot bemalten Stöcke, die ihnen nach den Worten von Tecumsehs Anhängern in der Schlacht helfen würden, hießen sie auch Red Sticks - mit den Proamerikanischen Lower Creek und kämpften auf der Seite der Briten. Am 30. August 1813 stürmten Upper Creek das amerikanische Fort Mims im Süden Alabamas und töteten über 350 Menschen. Sofortige Vergeltungsmaßnahmen von Bundessoldaten und Miliz waren die Folge; dabei wurden die Truppen von Lower Creek, Cherokee und Choctaw unterstützt. Am 27. März 1814 kämpften dieselben Stämme bei Horseshoe Bend am Tallapoosa River mit einer mehrere tausend Mann starken Miliz-Armee aus Tennessee, angeführt von Andrew Jackson, gegen die Upper Creek unter ihrem Kriegshäuptling Menawa. Über tausend Krieger der Red Sticks kamen dabei ums Leben. Einige Monate später berief Jackson eine Vertragskonferenz mit den proamerikanischen Lower Creek ein und zwang sie trotz der Hilfe, die sie ihm gegen ihre eigenen Verwandten gewährt hatten, über 30.000 km² - etwa zwei Drittel des Landes aller Creek - an die Vereinigten Staaten abzutreten.


Menawa, ein Häuptling der Upper Creek und Führer der Red Sticks im Krieg 1813/14. A. Jackson besiegte ihn in der Schlacht am Horseshoe Bend. Er wurde von sieben Kugeln getroffen und für tot gehalten; doch es gelang ihm, sich vom Schlachtfeld zu schleppen. Er wurde wieder gesund, mußte aber kapitulieren und sein Land und seine Besitztümer aufgeben. Obwohl er sich der Umsiedlung standhaft widersetzte, wurde er mit seinem Stamm 1836 ins heutige Oklahome verbracht.


Die überlebenden Red Sticks versteckten und zerstreuten sich, denn sie hatten nicht die Macht, etwas gegen die Kapitulation zu unternehmen. Viele von ihnen siedelten sich schließlich unter den agressiv antiamerikanischen Seminolen im spanischen Florida an, wo sie sowohl mit diesen als auch mit plündernden Weißen aus Georgia, die angeblich auf der Suche nach entlaufenen schwarzen Sklaven waren, in Konflikte gerieten. Im Jahr 1818 marschierte Jackson wieder mit einer von Lower Creek unterstützten Armee in Florida ein, griff die Red Sticks und Seminolen an, brannte ihre Dörfer nieder und eroberte Pensacola und St. Marks von den Spaniern. Im Februar 1819 traten die geschlagenen Spanier ganz Florida an die Vereinigten Staaten ab.
Die Red Sticks vermischten sich allmählich mit den über die gesamte Halbinsel verteilten Dorfgemeinschaften der Seminolen, aber auch hier hatten sie kaum Ruhe vor den Amerikanern. Schon in den 1830er Jahren kämpften sie mit den Seminolen wieder gegen diese; dieses Mal mußten sie sich gegen Versuche wehren, sie in das Arkansas Territory (im heutigen Oklahoma) umzusiedeln. Zum kühnsten und gefürchtetsten Führer der Seminolen hatte sich Osceola entwickelt, ein ehemaliger Red Stick-Flüchtling. Unter dem Vorwand, mit ihm verhandeln zu wollen, nahmen die Militärs ihn 1837 gefangen. Ein Jahr darauf starb Osceola im Gefängnis.
Aus der Perspektive der Regierung war der Konflikt in den Wäldern und malariaverseuchten Sümpfen Floridas der längste, teuerste und erfolgloseste Indianerkrieg - von 1835 bis 1842 - und kostete die Vereinigten Staaten 1.500 Gefallene und vierzig bis sechzig Millionen Dollar. Mehr als viertausend Seminolen wurden in den Westen verschleppt, doch schließlich gab die Regierung auf und ließ die restlichen Seminolen und Mikasuki in den Everglades, wo sie noch heute leben.
Die meisten Cherokee, Choctaw, Creek und Chickasaw waren nach dem Krieg von 1812 noch in ihren Heimatgebieten ansässig und wollten dort auch bleiben. Die Führer dieser Nationen waren davon überzeugt, daß das Überleben der Stämme im Süden nicht nur von einer friedlichen Koexistenz mit den Weißen abhing, sondern auch von der Übernahme des amerikanischen Lebensstils, und versuchten deshalb, die Akkulturation ihrer Völker zu beschleunigen. Viele Cherokee hielten zwar an ihren Traditionen fest, doch der Großteil paßte sich der herrschenden Gesellschaft an. Dies trug ihnen bei den Weißen das Attribut "zivilisiert" ein.
Dieser Prozeß kam 1801 mit der Ankunft der Herrnhuter in Schwung; 1817 folgten weitere Missionare. Sie christianisierten die Cherokee, siedelten sich unter ihnen an und brachten ihnen Ackerbaumethoden der Weißen, Handwer sowie das Lesen und Schreiben des Englischen bei. In den 1820er Jahren wurde die Akkulturation durch Sequoyah beschleunigt, einen Cherokee-Veteran aus Jacksons Armee bei Horseshoe Bend. Er erfand ein Cherokee-Alphabet und arbeitete Regeln für die Schreibung dieser Sprache aus. Die Cherokee lernten sehr schnell lesen und schreiben; schon 1828 begann der Stamm, in Cherokee und Englisch eine Zeitung namens The Phoenix zu publizieren. Der Herausgeber war Elias Boudinot; ein gebildeter Cherokee, der eine Missionsschule in Connecticut besucht hatte.
Im selben Jahr übernahmen die Cherokee ein neues politisches System, das zum größten Teil auf dem Vorbild der Vereinigten Staaten beruhte. Die Delegierten des Stammes schufen bei einer konstitutionierenden Versammlung eine Regierung mit einem Oberhäuptling, einem aus zwei Kammern bestehenden Rat und einem Gerichtswesen. John Ross, ein Mischling, wurde zum Oberhäuptling gewählt und hielt dieses Amt bis zu seinem Tod 1866 inne. Er war von den Missionaren erzogen worden, sprach nur wenig Cherokee, kleidete sich wie ein reicher, weißer Südstaatler und besaß Handels- und Schiffahrtsunternehmen sowie eine große Plantage mit Sklaven. Doch er war seinem Volk sehr ergeben und fand seine treuesten Anhänger bei den reinrassigen Cherokee. Unter seiner Regierung wurden Gelder aus dem Verkauf von Land für den Aufbau der Hauptstadt Echota verwendet, die mit imposanten Regierungsgebäuden ausgestattet wurde. Viele Cherokee waren zwar gegen die Zunahme von Gesetzen und Reglementierungen, doch die Befürworter des Wandels setzten sich durch und schufen eine starke, auf Ackerbau basierende Wirtschaft, ein komplexes politisches System und ein fortschrittliches Rechtswesen.
Die Choctaw, Chickasaw und Creek folgten mehr oder weniger dem Beispiel der Cherokee; in jedem Stamm entwickelte sich eine wohlhabende indianische Elite, die sich der Mode entsprechend kleidete, in zweistöckigen Plantagenvillen wohnte, Sklaven und schöne Kutschen besaß und mit dem Lebensstil ihrer reichen weißen Nachbarn wetteiferte. Bei nichtindianischen Besuchern und Schriftstellern aus dem Norden wurden diese vier Nationen zusammen mit den Seminolen als die "Fünf Zivilisierten Stämme" bekannt.

Fortsetzung folgt...
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