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Alt 13-08-2003, 16:30
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Raskolnikow Raskolnikow ist offline
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Ich packe so gegen 11 Uhr an einem freien Mittwoch mein Handtuch, ein
Buch,eine Flasche ALDI-Mineralwasser und eine Flasche Sonnencreme ein
und setz mich ins Auto.
Natuerlich muesste ich nicht mit dem Auto fahren. Ich koennte ja auch
mit dem Rad fahren. Aber Rad fahren ist genauso zum Kotzen wie
Strassenbahn fahren... und zu Fuss geht nun wirklich nicht! Also,ich fahre zum
Schwimmbad.

Je naeher ich dem Schwimmbad komme, um so groesser wird die Zahl der
Radfahrer, die mit sonnigem Gemuet kreuz und quer nebeneinander und
sowieso ueberall auf der Strasse herumschlingern, die Sonnenbrille
auf der Nase undtonnenweise Krempel im Koerbchen, wie zum Beispiel Luftmatratzen,
Kuehlboxen, Sonnenschirme oder ihren Nachwuchs. Man koennte glauben,
manche waeren aus ihren Haeusern vertrieben auf dem Weg in die
Fremde...
aber
nein, sie wollen tatsaechlich nur einen Tag ins Schwimmbad.

In tiefem Vertrauen auf den lieben Gott und meine Geduld rauschen sie
also unkoordiniert vor meinem Auto herum... aber ich lasse mich nicht
entmutigen und suche einen Parkplatz. Schatten waere toll. Am besten
nicht zu weit weg. Ich suche ungefaehr eine halbe Stunde und stelle mich dann
siebeneinhalb Kilometer vom Eingang entfernt gegen die Fahrtrichtung
im absoluten Halteverbot auf einen sonnendurchfluteten Radweg, den die
oben erwaehnten Bekloppten komischerweise eisern ignorieren.

Vor der Kasse steht eine riesige Menschenmenge. Darunter auch fuenf
aeltere Herren in Team Telekom-Outfits, die lauthals verkuenden, dass sie
nach 20 Kilometern Rad fahren jetzt noch 25 Bahnen schwimmen werden...
Interessante Triathlon-Variante: mit dem Fahrrad ins Schwimmbad, mit
dem Krankenwagen wieder zurueck.
Drei Teenies zwaengen sich durch die Reihe nach vorn.
Auf meinen freundlichen Hinweis, sie sollten sich doch bitte hinten
anstellen, antwortet einer mit einem ebenso freundlichen: 'Halt doch
die Fresse,Schwuchtel!'. Aber ich freu mich einfach nur weiter auf das kuehle
Nass und passe nebenbei auf, dass mir im Gedraenge keiner den Geldbeutel
klaut.

An der Kasse mache ich meinen Anspruch auf Ermaessigung geltend. Die
freundliche Dame bittet mich herein, laesst sich Studentenausweis
Personalausweis, Fuehrerschein, EC-Karte, Organspender-Karte,
Impfpass undGeburtsurkunde vorlegen und unterzieht mich einem
Luegendetektor-Test.
Nachdem das BKA meine Fingerabdruecke ueberprueft hat gewaehrt man
mir tatsaechlich ermaessigten Einlass in den Badespass-Park!

Ich suche mir ein nettes Plaetzchen auf der Wiese, lege mein original
rotes Schwuchteltuch auf ein Ameisenloch und eine alte Portion Pommes und
freumich auf den schoenen Tag. Die Voeglein singen, die Kinder schreien
und dieKids nebenan erfreuen das ganze Schwimmbad mit dem lieblichen
Geschrei von Rammstein, welches aus ihrem Ghettoblaster droehnt. Dann erfreue
ich die Bienen und Wespen, indem ich mich von Kopf bis Fuss mit einer
pampigen stinkigen Sonnencreme einschmiere. Sofort summen sie lustig um mic
herum...

Ach, das Leben ist schoen! Nachdem ich mich eine halbe Stunde in der
Sonne geraekelt habe, bekomme ich langsam Durst und greife zu meinem
Wasser.
Als ich gerade trinken moechte donnert mir ein Fussball lustig hinten
auf die Birne, was dazu fuehrt, dass ich mir am Flaschenhals ein noch
lustigeres kleines Stueck vom Schneidezahn abschlage...
Ich drehe mich um und da steht... so ein Zufall! Das sympathische kleine Arschkind vom
Eingang!
Entschuldigend sagt der Kleine zu mir: 'Geb mein Ball her, du Missgeburt!'
Da kann ich natuerlich nicht nein sagen und werf ihm den Ball zu....

Im Schwimmbad ist es echt toll! Doch ein Schluck Wasser konnte mich
nicht wirklich erfrischen. Zeit fuer einen Sprung ins kuehle Nass!
Nachdem ich einen netten Mann neben mir darum gebeten habe, doch ein Auge auf
meine Sachen zu haben, waehrend ich schwimme, schlendere ich zum
Becken.
Hier ist es toll! Viele kleine Kinder rennen herum. Eins rennt mir
mit dem Kopf in die Eier und faengt an zu heulen. Die Mutter schreit mich ein
wenig an,was mir einfiele, so einfach am Becken vorbeizugehen wenn
ihr Kind da erumtobt. Ja, das tut mir natuerlich Leid... haett ich auch
wirklich besser aufpassen muessen. Endlich bin ich im Wasser. Das ist
echt schoen!

Das Sonnenoel von tausenden Leuten schillert auf der
Wasseroberflaeche,durch die Chlor-veraetzten Augen scheint die Welt
in einen lieblichen Schleier gehuellt. Ich tauche unter und geniesse
gerade den Wechsel zwischen kaltem Wasser und warmem Pipi als mir ein nettes
kleines Kind vom 3-Meter-Brett auf den Ruecken springt. Als ich
japsend auftauche, um mich zu entschuldigen, sehe ich, dass es ja genau das
gleiche Kind wie eben war!
Hach wie nett! Hoffentlich hat es sich nicht weh getan! Es hoert auch
tatsaechlich gleich auf zu weinen, nachdem ich ihm meine Uhr
geschenkt habe. So ein liebes Kind! Raus aus dem Wasser, zurueck zum Platz.

Als ich dort ankomme, ist der nette Nachbar, der ein wenig auf meine
Sachen aufgepasst hat, nicht mehr da. Mein Geldbeutel auch nicht. Dafuer
aber sein Hund, der gerade mein Schnitzelbroetchen frisst um danach in meinen
Turnschuh zu scheissen. Netter Hund! Eigentlich bin ich sehr
ausgeglichen... aber jetzt ist es doch langsam genug.
Ich packe meine Sachen zusammen und den bloeden Hund in die Kuehlbox seines
freundlichen Herrchens. Selbige lasse ich feierlich im Wellenbecken zu Wasser und
schaue mir belustigt den wilden Ritt an, waehrend ich ein paar Takte
'Surfin USA' pfeife.
Mit dem Handy des Herrchens rufe ich eine 0190-Nummer an und
werfe es dann aufs Dach der Umkleidekabinen. Jetzt hab ich mich schon
beinahe beruhigt. Ich schlendere zu meinem Fussball-Freund, nehme ihm den
Ball ab und schiesse ihn mit einem beeindruckenden Vollspann aus einem
Meter Entfernung direkt in sein nettes Gesicht. Nachdem er blutuberstromt
nach hinten umgefallen ist, nehme ich die Gelegenheit wahr, in seinen
Rucksack noch ein kleines Feuerchen zu legen und mache mich auf den Weg zum
Ausgang.

Als ich am Beckenrand vorbeikomme sehe ich meinen Kumpel vom
3-Meter-Brett.
Da der Bademeister gerade dabei ist, einen Telekom-Opa aus dem Becken
zu fischen nutze ich den Moment, schnapp mir die Badehose des netten
kleinen Schweinepriesters und haenge sie nicht weit entfernt an einen hohen
Ast.

Als ich am Ausgang ankomme schau ich mich ein letztes Mal um: Der
Fussball-Penner huepft plaerrend um seinen brennenden Rucksack herum
(das Feuer hat inzwischen auf benachbarte Bastmatten uebergegriffen), die
kleine Nervensaege huepft nackt unter dem Badehosen-Baum herum
(Umzingelt von kreischenden Madchen) und der nette Nachbar sucht seinen Hund...
die fest verschlossene Kuehlbox zieht immer noch ihre Bahnen im
Wellenbecken
und das Handy funkelt mir lustig vom Umkleidendach zu. Die Rechnung
mussinzwischen bei etwa 98 Euro liegen...

Als ich zum Auto zurueckkomme haengt ein Strafzettel dran. Ich nehm
ihn ab,
lese ihn aufmerksam durch und esse ihn auf. Dann steig ich in mein
bruetendheisses Auto und denke:

'Gar nicht so schlecht, so ein Besuch im Freibad!'
__________________
Also sowelche Politiker sollte man ihr Amt abnehmen!
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