Mein Lieber, die Nation gibt es solange, solange es noch ein Nationalbewußtsein gibt.
Ich könnte auch völkisches Bewußtsein sagen, aber das wäre dir sicher noch sehr viel weniger genehm.
Und solange das Nationalbewußtsein vorhanden ist, gibt es die Nation als politische Größe. Daß sie vorhanden ist, zeigen die Ereignisse im Laufe des Zerfalls des Ostblocks in größtmöglicher Deutlichkeit. Überall erhob sich das lange unterdrückte Nationalbewußtsein als größte, überpersönliche politische Kraft und schuf neue Nationalstaaten: Deutschland, Tschechei, Slowenien, Slowakei, Kroatien, Serbien, Mazedonien, Litauen, Lettland, Estland.
Danach und nach der Erfahrung des ganzen letzten Jahrhunderts die Existenz der Nationen zu leugnen ist nicht nur ein Zeichen politischer Blindheit, sondern auch höchst gefährlich. Denn nur mit dem, mit dem man rechnet, kann man umgehen.
Also nochmal zum Mitschreiben: solange das Nationalbewußtsein so stark wie jetzt ist und sogar staatenbildend ist, ist es eine Realität und durchaus kein Traum.
Das Nationalbewußtsein ist vielmehr geschichtlich wie eine starke Unterseeströmung, wie der Golfstrom, der das Klima Europas und der Welt seit Jahrhunderten bestimmt. Mögen Schiffe auf ihm herumschaukeln, mag man ihn ignorieren oder umlenken oder zum versiegen bringen wollen, er bleibt, als eine gewaltige, sich immer wieder bahnbrechende Konstante bestehen. Mag es dir passen, oder nicht!
Und er wird auch noch sehr lange eine Realität bleiben. Für unsere Lebenszeit gewiß.
Was du aber versuchst, das gerade ist Traumpolitik, die die Fakten negiert!
Geändert von Moltke (05-01-2003 um 16:23 Uhr).
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