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Alt 06-11-2002, 10:52
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Moltke Moltke ist offline
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Sehr interessante Diskussion!

Ich möchte auf einige Punkte eingehen:

Im zweiten Weltkrieg sind einige deutsche Agenten in die USA infiltriert und haben Fabrikanlagen gesprengt.
Sie wurden gefasst und das oberste Bundesgericht stellte fest, das es sich um ungesetzliche Kämpfer ("unlawfull fighters") handele, daher diese nicht als Kriegsgefangene im Sinne des Völkerrechst zu behandeln seien. Immerhin trugen sie keine Uniform oder Abzeichen. Sie wurden hingerichtet. Dieses Bundesgerichtsurteil ist heute Grundlage für die Behandlung der in Guantanamo Bay internierten Afghanen.
Somit hat es also im zweiten Weltkrieg Angriffe auf dem Territorium der USA gegeben, einerseits auf Pearl Harbour, andererseits durch die genannten deutschen Agenten.

Was die Erschiessungen durch die Deutschen im zweiten Weltkrieg betrifft, so hat es jedenfalls keine Hinrichtung wegen Weigerungen, diese durchzuführen gegeben. Schließlich widersprach es auch damals der konventionellen Soldatenehre, wenn es auch mit dem Völkerrecht in Übereinstimmung stand, Geiseln als Vergeltung für durch Partisanenanschläge gefallene Soldaten hinzurichten. Sogar das genaue Verhältnis war geregelt. Wenn ich nicht irre, 10 Geiseln für je 1 gefallenen Soldaten.
Erst nach dem Krieg wurde das Völkerrecht diesbezüglich geändert.
Hingegen gibt es viele Berichte daß Führer von Erschießungskommandos vor der Exekution gesagt haben, wer sich dazu zu schwach fühle, könne heraustreten oder daß einzelne Soldaten von selbst die Teilnahme verweigerten.
Jedoch, es ist hier, wie auch anderswo: nichtmitzumachen, kostet mehr Mut, als mitzumachen, selbst, wenn es das eigene Leben kostet.

Nun zur Frage des dritten Weltkrieges. Traditionellerweise hat ein solcher Krieg ja unter Beteiligung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland, USA und Serbien stattzufinden!

Aber im ernst. Nach meiner Einschätzung ist die NATO dabei, einen Cordon sanitaire um Rußland zu ziehen, der vom Nordkap bis zum persischen Golf reicht. Hierzu fehlt noch Serbien, das ja bereits halb erledigt ist und inzwischen eine natofreundliche Regierung hat. Eine weitere hervorragende Abrundung wird der Irak sein, denn er stellt die Verbindung zwischen NATO-Mitglied Türkei und dem persischen Golf dar.

Der Plan der USA ist nun, Rußland durch Abschnürung immer weiter zu schwächen, bis es reif für einen Angriff ist. Dann wird man versuchen, unter Vorspiegelung humanitärer Gründe Stück für Stück aus ihm herauszuschneiden, wozu sich natürlich hervorragend der Süden mit Tschetschenien usw. eignet. Motto: wir müssen eingreifen, die Menschenrechte sind in Gefahr!
Sind erst einmal einige Länder abgefallen und unter amerikanischer Protektion, wird sich auch Kasachstan als das letzte russische Kronjuwel abspalten. Immer wenn Russland droht anzugreifen, werden sich die USA mit Kriegsdrohung davorstellen.

Letztlich soll Rußland in eine Art Trabanten- oder Sklavenstaat in völliger Abhängigkeit von der Gnade Washingtons verwandelt werden. Vielleicht teilt man auch das Land in seinen russischen und seinen sibirischen Teil mit zwei Regierungen. Sollte dies nicht (wie etwa in Serbien) durch freiwillige Unterwerfung geschehen, könnte sich Amerika zu einem Angriff entschliessen. Entweder, und hierauf würde Amerika spekulieren, würden die Russen ihre Atomwaffen aus Furcht vor dem Gegenschlag nicht einsetzen; dann wäre es besiegt, denn das russische Heer ist dem amerikanischen hoffnungslos unterlegen. Oder aber, es würde durch einen besonders starken Mann an seiner Spitze, einer Art Churchill, die moralische Stärke aufbringen, Atomwaffen als taktische Abwehr einzusetzen. D.h. taktische Atomraketen müßten angreifende Invasionstruppen vernichten, um die Unterlegenheit des russischen Landheeres zu kompensieren. (Motto: eine Rakete ersetzt eine Brigade an Kampfkraft.)
Geschieht dies, so ist die moralische Stärke des amerikanischen Präsidenten auf einen Prüfstein gestellt: läßt er sich auf einen auch atomaren Krieg ein, so wird er, unter starken Verlusten, zweifellos vermöge der amrikanischen Überlegenheit den Sieg an seine Fahne heften und Rußland das ihm genehme politische System und die von ihm gewünschte Regierung auferlegen. Retiriert er jedoch, weil er den Blutzoll nicht zu zahlen bereit ist, wird Rußland aus diesem Konflikt zweifellos gestärkt hervorgehen.

Einziger Unsicherheitsfaktor: China. Es ist schwer zu sagen, für welche Seite sich China in einem solchen Kampf entscheiden würde. Da es ein autoritär-machiavellistisch geführter Staat ist, nehme ich an, es würde sich für Rußland entscheiden, um das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten. Denn fällt Rußland, ist China der nächste. Nicht, weil es kommunistsich ist, sondern weil es zu groß und mächtig ist, als daß die USA es auf Dauer neben sich dulden würden. Es besteht ein Hegemonialkonflikt.

Abschließen möchte ich noch eine kurze Einschätzung der Potenz der derzeitigen Mächte abgeben und sie kurz begründen. Ich könnt ja eure Meinung dazu sagen. Aber bitte begründet!

Supermächte:
USA (straffe Führung; technologisch fortgeschrittenste konventionelle Streitkräfte; hervorragende Ausbildung der regulären und teilweise kriegserfahrenen Truppen; große Reserven an Menschen, Rohstoffen, Kriegs und Industriegütern sowie Öl. Beste Atomwaffe der Welt. Auf der ganzen Welt verstreute Marine-Stützpunkte erlauben der amerikanischen Flotte durch ihre Flugzeugträger weltweite Dominanz über weiträumige Seegebiete und küstennahe Gebiete, Primus inter pares in zahlreichen militärischen Bündnissen, durch Ozeane vor Feinden geschützt.)

Großmächte:
Rußland (Straffe Führung, jedoch schlechte Verwaltung; zweitbeste Atomwaffe der Welt. Hierbei besonders hervorzuheben: Atom-Unterseeboote, die monatelang tauchen können und ihre Atomraketen jederzeit unter Wasser abfeuern können. Selbst bei einer vollständigen Niederlage Rußlands könnten diese sich also an die Küsten der USA begeben und einen schweren Vergeltungsschlag auf alle amerikanischen Großstädte ausführen, wogegen es keine Gegenwehr gibt. Sowie mobile Interkontintental-Atomrakten auf Lastwagen, die überall von der Manschaft in 30 Minuten abgefeuert werden können. Das russische Landheer ist zwar demoralisisert und mit veraltendem Material ausgerüstet, doch kriegserfahren; es kann jene Nachteile im Falle einer Mobilisierung durch enormen Nachschub an Menschen teilweise kompensieren. Enorme Rohstoffressourcen; beachtliche Industrie in beiden Teilen des Landes; Größe des Landes; hohe Leidensfähigkeit und -bereitschaft des Volkes im Kriegsfall, Herschaft über eine große Landmasse. Rußlands Stärke liegt auf jeden Fall in der Führung eines langen Krieges, da es dann die enormen Ressourcen seines Landes voll zur Geltung bringen kann.)
China (Straffe Führung und Verwaltung, enorme Ressourcen an Menschen, beachtliche Industrie und Rohstoffressourcen, Größe des Landes. Gut ausgebildete und ausgerüstete riesige Armee, Atomwaffe.)

Mittelmächte:
Großbritannien (moralisch z.Z. schwach, aber im Kriegsfalle erwiesenermaßen von großer Widerstandskraft; tadellos gedrillte, modern ausgerüstete, kampferprobte Elite-Armee; traditionsreiche, kampferfahrene und kampfstarke, zweitgrößte Flotte der Welt; Atomwaffe; geschützt durch seine Insellage)
Frankreich (schlechte Moral; kampfunfähige und durch zahllose Niederlagen demoralisierte Armee, mit Ausnahme der Fremdenlegion; kampfschwache Flotte; jedoch Mittelmacht durch die Force de Frappe)
Nordkorea (Straff-autoritäres, skrupelloses Kommandowirtschaftssystem; Stehendes Heer von über 1000000, einsatzfähige, kleine Flotte, Atomwaffe mit Taepodong-Interkontinentalraketen)
Indien (Großes Heer, enorme Ressourcen an Menschen, Atomwaffe, Industriemacht im Aufstieg.)
Pakistan (kriegserprobte Armee, Atomwaffe)

Länder mit dem Potential einer Mittelmacht sind Deutschland und Japan, weil sie aus politischen Gründen über keine Atomwaffen verfügen, diese aufgrund ihres industriellen Standards jedoch binnen Jahresfrist herstellen könnten.

Geändert von Moltke (06-11-2002 um 11:07 Uhr).
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